Technologie für oder im Menschen? - Wissenschaftliche Sitzung zu Transhumanismus
Karlsruhe. Die Abstände technischer Revolutionen werden kürzer, die Möglichkeiten der technologischen Entwicklung erlauben immer tiefere Verbindung mit dem menschlichen Organismus. Nach Ray Kurzweil wird 2023 für 1.000 Dollar die Rechenleistung eines menschlichen Gehirns verfügbar sein, 2050 die Rechenleistung aller menschlichen Gehirne weltweit.
Einsatz am Menschen, was technisch möglich ist–in diesen Kontext stellte Bundesbruder Johannes Schäfer (Assindia Aachen) seine WS unter dem Titel „Transhumanismus–Technik, die unter die Haut geht“. Bereits aus dem 4. Jahrhundert vor Christus ist die Verwendung von Zahnersatz aus Holz bekannt. Im Laufe der Zeit erweiterten sich die Fähigkeiten der Menschheit, defekte Körperteile durch Prothesen zu ersetzen oder zumindest zu ergänzen. Technologische Fortschritte in Feinmechanik, Materialforschung, Sensorik und Elektronik erreichen in immer kürzeren Abständen wichtige Meilensteine. Künstliche Hüftgelenke, Herzschrittmacher, Cochlea-Implantate sind heute Selbstverständlichkeiten, intelligente Prothesen mit feinmotorischer Steuerung durch das Gehirn des Prothesenträgers stehen an der Schwelle zur Reife.
Soll die Technologie nur reparieren oder ist es nicht sogar zwingend notwendig, diese zur Verbesserung des Menschen, des menschlichen Organismus und seiner Leistungsfähigkeit einzusetzen? Eben dies hat sich die Bewegung des Transhumanismus (trans - lat. über, hinüber, jenseits; humana - lat. das Menschliche) zum Ziel gesetzt. „Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll.“ (Nietzsche, „Also sprach Zarathustra“) gilt als früher Wegbereiter des Transhumanismus-Gedankens, der von Julian Huxley mit seiner Aussage „Mensch, der Mensch bleibt, aber sich selbst, durch Verwirklichung neuer Möglichkeiten von seiner und für seine menschliche Natur überwindet.“ als begründet gilt.
Gehirn-Computer-Schnittstellen, Nano-Roboter in der Medizin, kybernetische Prothesen als gewünschter Ersatz schwacher Gliedmaßen, wachsende Rechenleistung bei zunehmender Miniaturisierung und viele weitere spannende Entwicklungen der Gegenwart und Zukunft werfen aber auch Fragen nach der ethischen Verantwortung und der gesellschaftlichen Bedeutung auf. Hat der Läufer mit Beinprothese einen unzulässigen Vorteil gegenüber seinen „normalen“ Mitläufer? Wird man benachteiligt, wenn man auf die Optimierung seines Körpers durch technische Hilfsmittel verzichtet? Wer ist für Entscheidungen verantwortlich, die man als Mensch der Maschine übertragen hat? Können Maschinenentscheidungen „gerecht“ sein? Diesem spannenden Fragenkomplex wie auch den ganz persönlichen Fragen einer „technischen Erweiterung des eigenen Selbst“ stellten sich die Anwesenden nach der gelungenen Einführung zu den technologischen Entwicklungen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und zum Transhumanismus in angeregten Diskussionen und fortführenden Einzelgesprächen an diesem Abend.
Wie gehe ich mit jungem und fremdem Leben („Stammzellenforschung“) um, was tue ich mit meinem eigenen Körper („Transhumanismus“), was hinterlasse ich meinen Nachkommen („Atommülllagerung“) – das Semesterthema „Verantwortung in Wissenschaft und Technologie“ erfährt mit dem Festvortrag von Jun.-Prof. Dr. Gregor Betz (KIT) „Kann - und sollte Wissenschaft wertfrei sein“ am kommenden Wochenende anlässlich des Vereinsfestes zu Ehren „Maira Immaculata“ weitere interessante Einsichten, wohl aber ebenso keine definitiven Antworten.
Text & Bilder: Bbr. Ingo Gabriel