Badisch-Fränkisches Unitariertreffen in Seckach
Buchen/Seckach. Wie in den vergangenen Jahren lud der Altherrenzirkel Buchen unter Vorsitz von Bbr. Hermann Schmerbeck (AHV Franco-Alemannia) auch in diesem Jahr zum Badisch-Fränkischen Unitariertreffen (BFU) in das Kinder- und Jugenddorf Klinge in Seckach (Odenwald) ein und folgte damit seiner langjährigen Tradition. „Es gilt, durch Vorleben, interessante Inhalte und ständige Motivation der Jungen an die Prinzipien der Unitas, virtus, scientia und amicitia zu erinnern und diese mit dem Gedanken des Lebensbundes zu verbinden.“ so Bbr. Schmerbeck bei der Eröffnung der Morgensitzung nach der Feier des Gottesdienstes. Er freue sich, fast 30 Gäste aus der nahen und weiteren Umgebung wie Leimen, Heilbronn und Karlsruhe willkommen zu heißen, und hier Bundesbrüder und Bundesschwestern von jungen noch nicht ganz 24 Jahren bis zum hohen Alter von 91 Jahren im Sitzungszimmer vereint zu sehen. „Gerade in Zeiten des immer schwieriger zu realisierenden Zirkellebens können solche Veranstaltungen mit guten Referenten und interessanten Themen wichtige Impulse setzen“ leitete Bbr. Schmerbeck zur Vorstellung des Referenten PD Dr.-Ing. habil. Ulrich Knufinke über, den er über Kontakte durch seine eigene ehrenamtliche Arbeit in der Bücherei des Judentums in Buchen für den Vortrag zu „Synagogen: Architektur und Erinnerung in Deutschland nach der Shoah“ im Rahmen des BFU gewinnen konnte.
Dr. Knufinke legte nach seinem Studium der Germanistik und Architektur den Schwerpunkt seiner Arbeit auf jüdische Architektur, in deren Themenbereich er auch promovierte und habilitierte. Seit einigen Jahren betätigt er sich auch an Projekten der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa, so dass die Gäste sich eines kompetenten Referenten sicher sein konnten. „Synagogen seien immer schon Erinnerungsarchitektur gewesen“, führte Dr. Knufinke aus. In den frühen Jahren hätte die Architektur neben einem Spiegelbild der zeitgenössischen Auseinandersetzung mit Baustilen auch immer Themen des jüdischen Glaubens aufgegriffen. In Erinnerung an den zerstörten Tempel in Jerusalm und in der Hoffnung an den erwarteten endzeitlichen dritten Tempel seien Synagogen eben nicht selbst Tempel als Zwischenstation sondern transportierten Gedanken der Reise, des Unterwegsseins, wie z.B. Zeltformen, aber auch Säulen und Andeutungen von himmlischer, luftiger Weite. „Gleichwohl Synagogen dem Verständnis nach sakrale Gebäude sind, in denen Religion ausgeübt wird in Gebet, Lesung, Diskussion“, erklärte der Redner, „besitzen sie nicht die den christlichen Kirchen vergleichbare Heiligkeit.“ Sie seien Zentrum der Gemeinde, und dieser Gemeindezentrum-Gedanke fände sich gerade in der modernen Zeit und den größer werdenden jüdischen Gemeinden verstärkt wieder.
Um die Wandlung der Synagogenarchitektur nach der Shoah, nach dem Holocaust, erkennen zu können, begann Dr. Knufinke Synagogen seine Ausführungen mit der Wormser Synagoge aus dem 12. Jahrhundert mit ihrem nach Osten orientierten Thoraschrein und den zwei symbolischen Säulen. Im weiteren Verlauf des Vortrages lernten die Zuhörer und Zuschauer verschiedene im historischen Verlauf eingeordnete Synagogenbauten in Deutschland kennen: Berlin mit einem hohen Synagogenraum, den Jacobstempel in Seesen und dem damit verbundenen Hervortreten aus den Hinterhöfen und Integration in das Straßenbild, die mauretanische Architektur in Berlin, bei der die Pflicht zur Unterscheidung von Kirchen schon fast als Vorteil zu eben jener Unterscheidung genutzt wurde und sich doch im 20. Jahrhundert geradezu überdeutlich der Form christlicher Kirchen näherte (Essen, 1913). Es folgten Synagogen im modernem Bauhausstil in Hamburg u.a.m. „Synagogen können auch ganz einfache Häuser sein“, konstatierte Dr. Knufinke angesichts des Zerstörungswahns der Nazizeit, bei dem die Zerstörung jeglicher Synagogen ungeachtet ihrer Bauart einzige Motivation schien.
Mit der Rückkehr der Juden in der Nachkriegszeit integrierte die Architektur nicht mehr nur mehr oder weniger versteckte oder klare Hinweise auf die Geschichte oder Zukunft des jüdischen Glaubens sondern auch Symbole an die Zeit des Vernichtungsschreckens des dritten Reiches. Synagogen-Neubauten wurden oft durch Architekturwettbewerbe begleitet und fanden so prominentes Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Zunehmend war auch die Wieder-Integration von Synagogen unmittelbar in den öffentlichen Raum wie z.B. in München, wo die Abstraktion des Zeltes des Jüdischen Zentrums München als Vorlage für ein Sonder-Postwerzeichen 2007 diente. Auch der Neubau der Synagoge in Ulm nahe des Platzes der ursprünglichen Synagoge, unmittelbar neben dem Schwörhaus und in Nähe zum Ulmer Münster zeigt, dass jüdische Architektur mitten in der Öffentlichkeit angekommen ist. ”Bei solcher Architektur inmitten des öffentliche Raumes stellt sich natürlich auch die Frage, wie sich eine Minderheit darstellen kann, darf und soll“, so der Referent zum Abschluss: die abstrakte und versteckte Symbolik lade jüdische und nicht-jüdische Mitmenschen zum Nachdenken und Erforschen, zum Erinnern ein – „wenngleich auch gute Architektur kein Schutz vor Dummheit ist“.
Angeregte Gespräche folgten dem Vortrag weiter beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen und die Teilnehmer waren sich einig, dass das BFU in diesem Jahr wiederholt dem Anspruch einer gelungenen Veranstaltung mehr als gerecht geworden sei.