Spannende Diskussionen beim Theologischen Gesprächsabend mit Bbr. Pfarrer Erhard Bechtold
Karlsruhe. Ein theologischer Gesprächsabend ist für uns Karlsruher Unitarier eine gern wahrgenommene Gelegenheit, um „über Gott und die Welt“ zu reden.
Der Tradition des aktuellen Semesters folgend, wurde zuvor durch Bbr. Johannes Schäfer ein weiteres Kunstwerk vorgestellt: Ein Druck des Werkes „Die Beständigkeit der Erinnerung“ des katalanischen Künstlers Salvador Dalí (1904–1989), in dem, neben zwei Fliegen, drei zerfließende Taschenuhren vor den Felsen des Cap de Creus dargestellt sind.
Ortswechsel nach Frankreich, genauer gesagt nach Taizé:
Bbr. Mats Volles leitete den Abend mit einem Impulsvortrag zu seinen Erfahrungen, die er bei seinen Aufenthalten im ökumenischen Männerorden gemacht hat. Gegründet von Roger Schutz (1915–2005) als Zufluchtsort für Verfolgte der Nazis im Zweiten Weltkrieg, entwickelte sich daraus 1949 die erste ökumenische Ordensgemeinschaft. In den 60er-Jahren folgten immer mehr Jugendliche der Einladung den Orden und damit Taizé einen Besuch abzustatten – seither ist die Popularität ungebrochen.
Ein Aufenthalt in Taizé dauert meist eine Woche und folgt einem festen Tagesablauf:
Nach einer Morgenandacht folgt das gemeinsame Frühstück. Im Anschluss treffen sich die Anwesenden zu einer Bibelrunde, in der ein Bibeltext vorgestellt und anschließend in Gruppen darüber geredet wird. Nach dem Mittagsgebet folgt eine einfache Mahlzeit, bevor verschiedene Arbeiten rund um das Camp erledigt werden müssen. Nach einer Teepause gibt es Workshops, die besucht werden können.
Auf das Abendessen folgt die Abendandacht, die kein festgelegtes Ende hat – es kann die ganze Nacht hindurch gesungen und gebetet werden.
„Was ist daran so toll?“ – „Wieso kommen so viele Menschen nach Taizé“ – „Ist das ein Modell für die Kirche der Zukunft?“
Mit diesen Fragen wurde die Diskussion des Gesprächsabends eröffnet. Der Orden in Taizé versucht das Gemeinsame der verschiedenen christlichen Konfessionen in den Vordergrund zu stellen. Daneben bietet der Orden die Möglichkeit für individuelle Glaubenserfahrungen und schafft eine Gemeinschaft, einen geschützten Bereich, in dem man sich und seinen Glauben frei entfalten kann. Es wird jeder eingeladen an den verschiedenen Aktivitäten teilzunehmen. Einfache, eingängige Lieder ermöglichen es jedem, mitzusingen. Auch alle anderen Gestaltungspunkte sind auf einfache Teilhabe der Besucher ausgerichtet. Hierdurch wird eine andere Art des Zugangs zur Liturgie geschaffen.
Glaube wird in unserer Gesellschaft zunehmend zur Privatsache. Jedoch bedarf ein lebendiger Glaube der Gemeinschaft. Ehrenbundesbruder Pfarrer Erhardt Bechthold sagte dazu: „Ein Christ ist kein Christ.“ Das Erste, was Jesus getan habe, sei seine Jünger um sich zu versammeln. Glaube sei Gemeinschaft, so die Folgerung Bechtolds.
Massenveranstaltungen wie Taizé oder der Weltjungendtag überwinden dies und schaffen eine neue Art der Gemeinschaft von Gläubigen. Die Kirche und ihre Rituale sind nach Meinung einiger Anwesenden aus der Mitte der Gesellschaft herausgerückt und es gebe viele alternative Möglichkeiten Gemeinschaft zu erfahren – ein allgemeines Streben nach Individualität sei zu beobachten.
Wenn ein Anker im Leben gebraucht wird, wendet man sich nicht mehr automatisch an Gott. Stattdessen wird versucht sich selbst zu kümmern, indem man seine Probleme beispielsweise zu Malkreisen, Mediationsrunden, Selbsthilfegruppen, zum Psychiater oder Ähnlichem trägt. Diese Freiheit solle unbedingt erhalten bleiben, jedoch stelle sich die Frage, ob und wie sich die Kirche auf eine veränderte Gesellschaft einzulassen hat.
„Glaube braucht einen Ort zum Andocken“, sagte Bbr. Bechthold. Mit Regelmäßigkeit und Ritualen wie sie in Taizé gelebt werden, gelänge das. In einem Artikel des Geo-Magazins werde dargelegt, das Menschen Rituale brauchen. Die Liturgie beschreibe die Rituale des Glaubens.
Bbr. Georg Kluge erklärte: „Wir machen uns zu viele Gedanken darüber, wie der Mensch zur Liturgie kommt, statt zu überlegen, wie die Liturgie zum Menschen kommt.“ Jedoch betonte Pfr. Bechthold: „Die Liturgie ist keine Spielwiese!“ Man könne sie nicht beliebig auslegen. Das sei so, als ob es beim Fußball mal eine Abseitsregel gebe und mal nicht. Jedoch sollte man den Rahmen dessen, was durch sie vorgegeben wird mit allen Möglichkeiten ausschöpfen. Ein Beispiel hierfür sei, dass die Fürbitten aus der Mitte der Gemeinde heraus vorgelesen werden oder sich alle beim Vater Unser an den Händen halten.
„Die Kirche muss wieder eine Begegnungstätte sein“, so die Quintessenz des Abends. Sie müsse näher an den Menschen heranrücken. Jedoch könne das nicht strategisch geplant werden. Kirche lebe von Menschen, die von Innen heraus erfüllt seien und diese Begeisterung des Glaubens in die Welt tragen – ein Auftrag an uns alle.
Text: Bbr. Benedikt Kerbeck
Bilder: Bbr. Ingo Gabriel, Bbr. Johannes Schäfer