100 Jahre Unitas in Karlsruhe
Karlsruhe. Ganze vier Tage hatte die Unitas Franco-Alemannia geblockt und durchgeplant, um das Jahrhundertereignis ausreichend zu würdigen und gemeinsam zu feiern: der 100. Geburtstag der Unitas Franco-Alemannia und der gesamten Unitas in Karlsruhe stand an.
Countdown im Garten
„5, 4, 3, 2, 1 – Happy Birthday!“ – so schallte zum Start des Festwochenendes der Countdown durch den Garten des Unitas-Hauses, als am Stiftungstag, dem 26. Mai 2022, pünktlich um 19:22 Uhr die Sektkorken knallten. Diese bedeutende Uhrzeit hatte das Vorbereitungsteam aus Aktivitas und Altherrenschaft gewählt, um im Andenken des Jubiläumstages den Auftakt in gemütlichen Rahmen zu begehen. Etwa dreißig Gäste aus Nah und Fern hatten bereits an diesem Christi Himmelfahrts-Feiertag den Weg nach Karlsruhe gefunden und genossen den sommerlichen Abend. Für das leibliche und musische Wohl war bestens gesorgt – die Aktivitas hatte feine Kanapees vorbereitet und aus dem extra gereinigten Klavier drangen beschwingte und angenehme Töne durch einen eigens engagierten Pianisten. Bereits an diesem Abend war dieser besondere Geist zu spüren – der Lebensbund und die enge Bindung an die alte Wirkungsstätte, die manch einen Bundesbruder dazu verleiten würde, nach vielen Jahren der Abstinenz wieder zurück in die Fächerstadt zu kommen. Auch freute man sich über den Besuch der Unitas Maria Magdalena, die so gemeinsam mit den Franco-Alemannen den Auftakt ins Festwochenende feierte.
Im Conventraum war extra zu diesem Anlass eine kleine Ausstellung des Karlsruher unitarischen Archives vorbereitet worden. Interessierte konnten sich durch die Conventsprotokolle seit der Wiederbegründung 1947 wälzen und manch ein Alter Herr erkannte mit Erstaunen relativ schnell seine eigene Handschrift wieder. Doch auch einige ausgewählte alte Bilder, Coleurkarten, alle Semesterprogramme der beiden Karlsruher Unitas-Vereine seit 1948 sowie die pünktlich erschienene Festschrift konnten eingesehen werden. Hinzu kam eine weitere Besonderheit: extra zum Jubiläum hatte Feinbrenner Bbr. Michael Schreiber eine Sonderabfüllung einiger ausgewählter Destillate vorgenommen, die zu einem günstigen Preis über das ganze Wochenende hinweg erworben werden konnten.
Traditionelles Fußballturnier
Seit dem Sommersemester 1990 findet im Rahmen des Stiftungsfestes das traditionelle Fußballturnier zwischen Altherrenschaft und Aktivitas statt. Vor vielen Jahren startete man mit selbst gebauten Toren in der benachbarten Günther-Klotz-Anlage, wich dann auf ein als „Acker“ zu bezeichnendes Feld in Bulach aus, bevor man seit einigen Jahren den Sportplatz des SC Grünwinkel nutzen kann. Pünktlich zum Mittagsgong der benachbarten Kirche startete am Freitag das traditionsumwobene Spiel zwischen der aktuellen Aktivitas und den Alten Herren, die sich mit einigen ausgewählten Aktiven verstärken konnten. Die Spannung war auf beiden Seiten spürbar, an diesem besonderen Datum das Spiel für die eigene Mannschaft zu entscheiden, engagierte Zweikämpfe, aufkeimende Sprintduelle, professionelle Torwartparaden, enthusiastische Torabschlüsse – den wenigen Zuschauern wurde einiges geboten. Entgegen der Tradition des vergangenen Jahrzehnts ließen die Alten Herren der Aktivitas jedoch keine Chance – und so stand es am Ende von 60 Minuten plus Nachspielzeit 4:1 für die Alten Herren – sehr zum Leidwesen der Jubiläumsgeneration der Aktivitas.
Feierlicher Festkommers lässt 100 Jahre Revue passieren
Am Abend hatte die Franco-Alemannia zum feierlichen Festkommers in den “Schalander” der Karlsruher Höpfnerburg geladen. Fast 100 Gäste waren dem Ruf gefolgt, darunter Vertreter des Unitas-Verbandes, verschiedene Generationen von Alten Herren sowie Freundinnen und Freunde der Karlsruher Unitas – von Nah und Fern, von 7 Wochen bis fast 90 Jahre alt. Besonders bereicherten Chargenteams des K.D.St.V. Normannia im CV, der Unitas Maria Magdalena Heidelberg, der Unitas Elisabetha Thuringia Marburg, der Unitas Trebeta Trier, der Unitas Ruperto Carola Heidelberg sowie des amtierenden Vororts Unitas Maria Montessori Gießen unter Leitung von Vorortspräsidentin Bsr. Anna Maria Leveling das bunt geschmückte Präsidium. Auf herzlichste begrüßte der Präside und Senior des Jubelsemester Bbr. Emilio Rivera alle Angereisten, bevor sein Conpräside Bbr. Benjamin Koch im Rahmen einer – für einen Kommers eigentlich ungewöhnlichen – Damenrede die besondere Geschichte und Verbundenheit der Karlsruher Unitarier mit den Damen, insbesondere im Unitas-Verband, beleuchtete.
Die anschließende umfassende Festrede der Alten Herren Bbr. Dr. Jonas Neckenich und Bbr. Ingo Gabriel bot einen Überblick und Einblick in 100 Jahre Unitas in Karlsruhe – von den Anfängen rund um Bbr. Prof. Martin König und einem unitarischen Kränzchen, die Gründungsjahre nach 1922, das Sterben und Wiederaufstehen rund um den zweiten Weltkrieg und die besondere Tradition und Bedeutung des guten Verhältnisses zwischen Aktivitas und Altherrenschaft. Mit zahlreichen Anekdoten bestückt führten die beiden Vertreter des Beirats für Öffentlichkeitsarbeit, Nachwuchsförderung und Presseamt durch die zehn Jahrzehnte unitarischen Lebens in Karlsruhe. Dass „semper in unitate“ nicht nur das Motto des bislang einzigen Vorortsjahrs 2010/2011 war, zeigte sich an den vielfältigen Episoden unitarischer Geschichte in Karlruhe – egal ob im Altherrenzirkel Karlsruhe, der zwischenzeitlich wiederbegründeten Unitas Pirminia oder in der ehemaligen Unitas Karlsruhe, die sich 1964 in Unitas Franco-Alemannia umbenannte. Kritisch und sachlich wurden gerade die Epochen reflektiert, in denen beispielsweise trotz Kauf des Hauses in der Eisenlohrstraße am Ende der 60er Jahre zunächst eine Flaute einzog und sich die damalige Aktivitas mehr als Haus- und Wohngemeinschaft statt als Lebensbund betrachtete. Die beiden Vortragenden versäumten es nicht auch immer wieder einige Besonderheiten zum Besten zu geben, seien es die verschiedenen Karlsruher Traditionen, die sich über die Jahre fortgeführt haben, seien es die verschiedenen Themen wie Rahmenthemen, Vereinswiki und Programmgestaltung, die die Franco-Alemannia im Verband auszeichnen oder Berichte aus erster Hand wie Karlsruhe auf der Generalversammlung in Köln zum Vorort gewählt wurden. Doch auch eine weitere Würdigung kam nicht zu kurz: neben den Lebensbildern von Bbr. Prof. Martin König und Bbr. Dr. Berthold Franz Schmerbeck wurde insbesondere der am Festkommers anwesende Bbr. Dr. Albert Gamber portraitiert und erhielt von seiner Karlsruher Unitas als Dank und Anerkennung für viele Jahrzehnte unermüdlichen unitarischen Engagements einen Ehrenzipf mit badischem Greif überreicht – aus Sicht aller Anwesenden ein adäquates Geschenk für 100 Semester AHV-Vorsitz der Unitas Pirminia.
Auch die zahlreichen Grußworte ließen Lobesworte aber auch ganz persönliche Einblicke und Dankesworte auf die Franco-Alemannia nicht missen. Der Vorsitzende des Altherrenbunds Bbr. Christian Poplutz hob die stabile Karlsruher Präsenz im Unitas-Verband in den vergangenen zehn Jahren hervor, sei es durch Vorort, Aktivenvertreter, Internetbeauftragter, BOEN oder die Präsenz auf den Generalversammlungen. Er überbrachte die Grüße des gesamten Vorstands sowie vieler weiterer befreundeter Bundesschwestern und Bundesbrüder, die er am Vormittag noch auf dem zeitgleich in Stuttgart stattfindenden Katholikentag hatte treffen können. Der Vorsitzende des Altherrenvereins Unitas Franco-Alemannia Bbr. Benedikt König dankte allen Vorbereitern des Festwochenendes für ihre unermüdlichen Einsatz und warb nochmal für die Stiftungsfestbesonderheiten wie Destillate und insbesondere die Jubiläumsfestschrift.
Sitzungen und Gartenfest
Zur Mittagszeit des Folgetages fanden sich die Alten Herren der Karlsruher Unitas-Vereine zur jährlichen Sitzung der Altherrenvereine sowie des Karlsruher Hausbauvereins zusammen. Der Conventsaal platzte aus allen Nähten, seit vielen Jahren waren dazu nicht mehr so viele Besucher zusammengekommen. Doch trotz der großen Anzahl an Teilnehmern waren die Sitzungen schnell und effizient zu Ende, sodass sich genügend freie Zeit ergab, um im Garten des unitarischen Hauses bei Kaffee & Kuchen sowie belegten Brötchen zu verweilen, alte Gesichter wiederzusehen und den Lebensbund zu feiern. Wie seit vielen Jahre üblich waren auch viele Familien der Alten Herren gekommen und folgten zunächst dem eigens von Bsr. Eveline Fehrenbach vorbereiteten Kinderprogramm in die benachbarte Günther-Klotz-Anlage, bevor später der Conventsaal zum Spielzimmer mit Parkmöglichkeit für die etlichen Kinderwägen umgeräumt wurde.
Je später der Nachmittag, desto voller wurde der Garten – immer mehr Alte Herren strömten mit ihren Familien herbei, sodass am Ende des Abends knapp 120 Gäste versammelt waren – ein Besucherrekord für das traditionelle Spanferkelgrillen. Viele lange nicht mehr in Karlsruhe gesehene Bundesbrüder hatten den Weg in die alte Studienstadt auf sich genommen, manch eine alte Aktivengeneration fand sich wieder zusammen – die Freude war jedem und jeder ins Gesicht geschrieben. Unzählige Gespräche, Begrüßungen und lachende Gesichte erhellten den Vorgarten des Billing-Hauses. Passend zur erwarteten hohen Besucherzahl hatten die Aktiven nicht nur ein Spanferkel gegrillt, sondern parallel hierzu auch zwei weitere, warm angelieferte Ferkel organisiert, sodass keiner hungern musste. Der Eingangsbereich des Hauses wurde kurzerhand mit einigen Tischen zum Durchgangsbuffet umgewidmet, sodass die zahlreichen mitgebrachten und vorbereiteten Salate und Brote einen Platz fanden – mit dabei natürlich auch der traditionsumwobene Mais-Erdnuss-Salat. Bis weit nach Mitternacht blieb man versammelt, bei netten Gesprächen, Getränken und Gesellschaft.
Feierliches Hochamt in St. Peter und Paul
Der letzte Festtag startete mit dem feierlichen Hochamt in der Karlsruhe-Mühlburger Kirche St. Peter und Paul und der dortigen Gemeinde. Der Geistliche Beirat der Karlsruher Unitas Bbr. Pfarrer Erhard Bechtold zelebrierte gemeinsam mit Bbr. Diakon Walter Eberwein die heilige Messe, flankiert von zwei ministrierenden Bundesbrüdern und einer Chargenabordnung der Franco-Alemannia. In seiner Predigt verband Bbr. Bechtold das Motto des Katholikentags in Stuttgart „Leben teilen“ mit dem runden Jubiläum der Unitas Franco-Alemannia: „Wir teilen unser Leben, wir teilen unseren Glauben, unsere Sorgen und Nöte und Gott teilt sein Leben mit uns“. Er habe sich gefreut am Katholikentag und auch in diesem Hochamt endlich einmal wieder lachende Katholiken zu sehen, denn schließlich sei uns eine unglaubliche Hoffnung geschenkt, die uns froh machen könne. Diese Liebe Gottes wünsche er seiner Franco-Alemannia auch in den nächsten 100 Jahren: „diese Grundlagen des Glaubens, des Miteinanders, die Grundsätze – teilen wir unser Leben, gehen wir miteinander und wissen wir, dass wir am Ende eins sein werden, untereinander und mit Gott.“
Festsitzung mit Vortrag von Prof. Thomas Schimmel
Nach dem geistlichen Höhepunkt des Festwochenende ging es nach einer kleiner Stärkung im benachbarten Gemeindesaal der letzten Veranstaltung des Wochenendes entgegen: der Festsitzung mit Festvortrag von Prof. Dr. Thomas Schimmel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zum Thema „Der Urknall und die Gottesfrage“. Fast 70 Gäste konnte Senior Emilio Rivera im festlich geschmückten Saal begrüßen, darunter erfreulicherweise auch einige ältere Bundesbrüder und dem Verein verbundene Witwen, die vor der Corona-Pandemie treue Gäste der Karlsruher Vereinsfest waren und nun zu diesem Jubiläum an alte Bande anknüpften. Dem Anlass entsprechend konnten sowohl zwei feierliche Recipierungen als auch zwei festliche Burschungen vorgenommen werden.
Im kurzweiligen Festvortrag von Professor Schimmel, beleuchtete dieser den Zusammenhang von Urknall und Gottesfrage. Dazu betonte der promovierte Physiker, dass Glaube und Wissenschaft absolut keine Gegensätze seien, sondern genau umgekehrt auseinander folgten: „Alles, was wir an Gesetzmäßigkeiten, an Ordnung in der Natur erkennen, ist ein Hinweis auf das Wirken eines Schöpfers“. Er nahm die versammelte Corona mit auf eine faszinierende Reise vom Mikrokosmos bis zum Makrokosmos, vom Aufbau der Atome bis zu den Weiten des Universums. Immer wieder bemühte Prof. Schimmel den Vergleich zu dem Bild eines Malers: „Wenn wir ein Bild von einem berühmten Maler betrachten, dann ist das Vorhandensein des Bildes sicherlich kein Beweis, dass es den Maler nie gegeben hat. In gleicher Weise sehe ich in den Naturgesetzen die Spuren des Schöpfers.“ Anschaulich und prägnant erläuterte der Direktor des Forschungszentrums und Erfinder des weltweit kleinsten Transistors verschiedene Naturgesetze und beschrieb was es bedeuten würde, wenn nur eine Naturkonstante ein wenig anders geformt wäre – immer wieder zog er dabei Glaubensparallelen: „ Dass ein Naturgesetz wirklich stimmt, erfahre ich nur, indem ich es ausprobiere. Dass Gott wirklich da ist, erfahre ich nur, indem ich mich auf ihn einlasse, im Gebet zu ihm komme.“
Unter tosendem Beifall endete der interessante und anschauliche Vortrag, dessen Erlös zugunsten des Caritas-Verbandes in Karlsruhe ging. In den zahlreichen Grußworten wurde genau die angeklungene Verbindung der unitarischen Prinzipien virtus und scientia immer wieder aufgegriffen. Mit Worten des Dankes beendete Senior Emilio Rivera die feierlichen Jubiläumstage, die mit einem gemeinsamen Gruppenbild im Pfarrhof ihren Abschluss fanden.